Ich bin eine 58jährige tarifbeschäftigte Lehrerin für Mathematik und Chemie und bereits seit 1988 im Schuldienst des Landes Sachsen-Anhalt. Seit 1991 bin ich an einem Gymnasium in Sachsen-Anhalt tätig.
Mein Eintrittsalter in die Regelrente wurde seit Beginn meines Dienstantritts um 7 Jahre erhöht.
Im Laufe meiner Dienstzeit habe ich unzählige Veränderungen der Schullandschaft erlebt, mitgetragen und gestaltet. Aus Lehrplänen wurden Rahmenrichtlinien, aus Rahmenrichtlinien wurden kompetenzorientiert Lehrpläne und jedes Mal stellte ich meinen Unterricht um. Dazu kamen auch Gesetze, Verordnungen und Erlasse in stetigem Wechsel. Es gab Leistungskurse, Grundkurse, Wahlpflichtfächer und Wahlfächer, dann Unterricht auf erhöhtem Niveau im Klassenverband und jetzt wieder Kurse auf erhöhtem und grundlegendem Niveau. Das Ganze war dann noch verbunden mit Wechsel der gymnasialen Oberstufe von G12 zu G13 zu G12 mit Zwischenstufe G12,5. Alles nach der Methode: „Learning by doing“. Langweilig wurde es nie in unserer Schulform. Aber – ich bin ja belastbar.
Überraschend stellte mein Arbeitgeber eines Tages fest, dass es zu viele sind, die unterrichten wollten. Also „erfand“ er die Arbeitszeitkonten. Die Lehrerinnen und Lehrer wurden zwangsweise in Teilzeit geschickt. Das bescherte mir in Jahren mit der höchsten Leistungsfähigkeit „dankenswerter Weise“ mehr Zeit für mich. Die Auswirkungen auf meine Bezüge im Ruhestand sind nicht unerheblich. Die Auszahlung der damaligen Arbeitszeitkonten war ein Verlustgeschäft für mich. Damals durfte ich dem Land Sachsen-Anhalt einen zinslosen Kredit über mehrere Jahre gewähren.
Vor 20 Jahren beschloss das Land Sachsen- Anhalt Lehrer zu verbeamten. Man durfte dazu allerdings nicht so unwichtige Fächer wie z.B. die Naturwissenschaften unterrichten. In diesem Zeitraum hat eine verbeamtete Lehrkraft für die gleiche Arbeit über 100 000 Euro mehr verdient als eine tarifbeschäftigte Lehrkraft.
Trotz zeitlichen Drucks durch die Lehrpläne und durch das Zentralabitur fühlte ich mich nur selten richtig ausgelastet. Gern habe ich unnötige Verwaltungsaufgaben, Einsammeln von Geld, Verteilen von Büchern, Führen von Konten und ähnliche Freizeiträuber übernommen. Auch die Tatsache, dass Elterngespräche nur ab und zu harmonisch verliefen, machte mir wenig aus. Ich bin ja belastbar. Genau das hat Magdeburg vor zwei Jahren auch erkannt. Warum soll man den 60jährigen Lehrkräften eigentlich Pflichtstunden wegnehmen? Damit können wir sie doch auch ab 62 bestrafen. Es merkt sicher niemand, dass dies im Vergleich zu den Kollegen, die diese Stunden noch mit 60 Jahren erhielten, einer Lohnkürzung von 8 % entspricht.
Beifall brandete unüberhörbar auf.
Im letzten Jahr wurde unserem Dienstherrn ganz unverhofft bewusst, dass er seinen Arbeitnehmern gegenüber auch eine Fürsorgepflicht hat. Schwuppdiwupp wurde verpflichtend ein Präventionstag an den Schulen eingeführt. Dabei fällt dann ein ganzer Unterrichtstag an den Schulen aus. Und jetzt das:
Zum Dank für mein pädagogisches Engagement über mehr als fünfunddreißig Jahre und zur Verschleierung der Unfähigkeit der Landesregierungen die Zukunft der Schulen personell abzusichern, werde ich nun auch noch zur Mehrarbeit verpflichtet. Aber mit Ende 50 bin ich ja belastbar. Und wieder soll ich dem Land Sachsen- Anhalt einen zinslosen Kredit gewähren. Bin ich eigentlich eine Bank? Dabei wird Augenwischerei bezüglich eines sogenannten Arbeitszeitkontos betrieben, bei dem die Stunden in ein paar Jahren abgebummelt werden dürfen. Wenn ich dieses Arbeitszeitkonto dann frühestens 2027/28 in Anspruch nehmen darf, bin ich bereits im vorzeitigen Ruhestand. Aber scheinbar sehe ich irgendetwas falsch, denn das ist gar keine Erhöhung der Arbeitszeit, sondern nur eine Verlagerung in meinen Ruhestand.
Ich danke also dem Land Sachsen-Anhalt herzlich für die Wertschätzung und Gesundheitsfürsorge in meinen dann 39 Dienstjahren, indem ich dieses System frühestmöglich mit 63 Jahren verlassen werden.
Der Name der Verfasserin ist bekannt